Feederism

Feederism

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Feederism (kaum übersetzbar, etwa "am Füttern interessiert") ist der amerikanische Oberbegriff für eine Form von Fetischismus, die sich in Fantasie oder Realität in der Hauptsache mit Fütterungsspielen befaßt. Bestandteile des Fetisches sind Essen und Füttern, zusätzlich können aber auch Fesselungen, Zwang, Ausgeliefertsein und schließlich Body Modification in Form von zeitweiliger oder dauernder Gewichtszunahme wichtig sein. Feederism hat aber nicht zwangsläufig etwas mit Dicksein oder -werdenwollen zu tun. Die Verbindung zum SM besteht vor allem in ausgelebten Feeder/Feedee-Beziehungen, die als eine Form des D/S angesehen werden können.

Geschichte

Rituelle Fütterungen von Menschen sind aus verschiedenen frühen Kulturen der Erde bekannt, doch nicht jede Kultur mit dem nachgewiesenen Ideal dicker Menschen (meist Frauen, wobei dick mit fruchtbar gleichgesetzt wurde) entwickelte auch Fütterungsrituale. Gefüttert zu werden war das Los mancher Anwärter auf die Stammeshoheit zB in Westafrika oder Polynesien, wo der wohlgenährte König mit dem blühenden Land gleichgesetzt wurde. Die immer wieder kolportierte Vorliebe arabischer und Turkvölker für beleibtere Frauen hat zwar teilweise regional zu einer Ermunterung zum Dickwerden beigetragen, eine allgemeine Sitte hat sich dort daraus jedoch nicht entwickelt. Heutzutage wird das Füttern von Mädchen als Initiationsritus nur noch vereinzelt in Nigeria ausgeübt, trotz staatlichen Verbots und der Kritik durch Gruppen, die das Selbstverfügungsrecht von Frauen über ihren eigenen Körper verteidigen (und vor allem gegen die Praxis der weiblichen Beschneidung vorgehen).

Im späten 20. Jahrhundert hat sich zuerst in den USA eine Feeder-Sukultur entwickelt, die dank Internet inzwischen weltweit Anhänger hat. Sie beruft sich unter anderem auf historische Vorbilder aus den legendären "Sideshows" der Wanderzirkusse, die obligatorisch den jeweils dicksten Menschen der Welt vorzeigten. Es wird spekuliert, ob Feederism auch als Antwort auf die diät- und schlankheitsbesessene US-Gesellschaft verstanden werden kann, bzw gar als Gegenwehr zu Schlankheitswahn und Ausgrenzung aller nicht dem medial propagierten Ideal entsprechenden Körperformen. Eine andere Erklärung behauptet, daß Feederism ganz simpel eine passende sexuelle Fantasie sowieso schon dicker Menschen ist.

Die NAAFA, eine Vereinigung gegen die Diskriminierung dicker Menschen, steht dem Feederism kritisch gegenüber, es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß die Schnittmenge zwischen Fat-Acceptance-Aktivisten, Fat Admirers und Feeder- oder Weightgain-Fetischisten recht groß ist. Manche argumentieren, daß Feederism wegen der erotischen Besetzung der einvernehmlichen Aktivität grundsätzlich von gesundheitsgefährdendem Dicksein egal welcher Ursache und behandlungsbedürftigen Eßstörungen wie zB Bulimie abzugrenzen sei. Dicken-Fetischismus sei nur der natürliche Gegenpart zu Schlankheitswahn oder jeder beliebigen anderen Vorliebe für eine bestimmte körperliche Eingeschaft. Es wird auch betont, daß die freiwillige Entscheidung zur Gewichtszunahme dasselbe sei wie zB die Entscheidung für eine Schönheitsoperation wie zB Brustvergrößerung.

Begriffe und Varianten

  • Feeder: jemand, der gern einen anderen Menschen füttert
  • Feedee: jeman, der sich gern füttern läßt
  • Fat Admirer' oder FA: ein Liebhaber fetter Menschen (des anderen oder gleichen Geschlechts), ein Dicke-Menschen-Fetischist
  • Fat Acceptance: ein Verhalten bzw eine Vereinigung, die die Gleichwertigkeit dicker Menschen gegenüber dünnen verteidigt
  • Gainer: jemand, der gerne zunehmen will oder gerade zunimmt, von "Weighgain" = "Gewichtszunahme"
  • Stuffing: Praktik des (sich) Vollstopfens
  • Force Feeding: wörtlich Mästen, Zwangsfütttern
  • Body Inflation: (zeitweise) Vergrößerung des Körpers oder einzelner Körperteile (zB Brüste, Bauch), eigener Fetisch, der sich vor allem in der Produktion von Fantasien in Form von Geschichten, Zeichnungen und Fotomanipulationen erschöpft, auch Schwangerenfetisch

Es sollte deutlich unterschieden werden zwischen den vielfach publizierten Fantasievorstellungen von Feedern und tatsächlich stattfindenden Spielen oder Beziehungen, die Feederism in gewissem Umfang ausleben. Genaue Untersuchungen mit verläßlichen Zahlen liegen nicht vor, aber die in entsprechenden Foren gemachten Aussagen legen nahe, daß ein Großteil der Feeder tatsächlich nur die Fantasie diskutiert, ein kleinerer Teil sie zeitweise ausprobiert, ein noch geringerer Teil Feederism wirklich mit dem Ziel der Gewichtszunahme praktiziert, und schließlich nur vereinzelt Menschen Feederism in wirklich gesundheitsgefährdendem Ausmaß betreiben. Bekanntgewordene Gainer mit einem Gewicht über 300 kg und entsprechender körperlicher Behinderung (Unbeweglichkeit) werden zwar schnell zu Idolen in der Feederism-Szene, sie sind aber keinesfalls repräsentativ für die Szene.

Feederism ist geschlechtsunabhängig und auch in der schwulen Kultur verbreitet.

Feederism in den Medien

Feederism ist ein relativ junges Phänomen. Vor 1980 gab es fast nur Erwähnungen in anthropologischen Fachpublikationen oder vereinzelte Abbildungen von historischen Expeditionsfotos. Nach vereinzelten Pornoheften und -videos mit sehr dicken Frauen als Models (berühmt wurden zB "Big Bertha", "Miss Twin Towers", vor allem aber "Teighlor") kam mit BUF 1980 das erste regelmäßig erscheindende PinUp-Magazin heraus, das auch Feeder-Fantasien in Geschichtenform (meist von Wilson Barber) publizierte. Die Website "feeder.com" und ein Newsletter namens "The feedlot" waren die ersten Foren des Feederism. Heutzutage existieren ungezählte Yahoo-(Foto-)Gruppen und Diskussionslisten.

Das Aufkommen der Sensationstalkshow im US-Fernsehen (und inzwischen auch in Deutschland) führte dazu, daß immer öfter dicke Menschen als "ekelhaft, unsexy, unästhetisch" vorgeführt wurden. Gründlich ausgeschlachtete Reportagen über echte oder vorgebliche Feedees brachten den Begriff ins allgemeine Bewußtein und diffamierten Feeder fälschlicherweise als jemanden, der einen anderen Menschen zu Tode füttern will. Die Hysterie in der Diskussion ist (in den USA) eventuell damit zu erklären, daß einerseits der Schlankheitswahn und der soziale Druck zum konformen Aussehen besonders stark sind, andererseits das Ausmaß der "Verfettung der Gesellschaft", also des großen Anteils übergewichtiger Menschen, mitsamt den Ursachen dafür schlichtweg aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt wird.

Filme

Der Klassiker des Feederism-Filmes ist "Das große Fressen" (La grande bouffe)) von Marco Ferreri 1973, in dem vier lebensüberdrüssige Großbürger beschließen, sich zu Tode zu fressen, was in einer einzigen endlosen Konsumorgie genüßlich zelebriert wird. Der Film war gleichzeitig Skandal und Publikumserfolg (und für die Goldene Palme nominiert) und gilt als Klassiker des subversiven Films, u.a. wegen des längsten Furzes der Kinogeschichte.

Legendär ist die Szene mit Mr Creosote im Restaurant in Monty Pythons "Der Sinn des Lebens" (1983), der sich dermaßen vollfrißt, daß ein letztes Pfefferminzblättchen ihn zum Platzen bringt. Der Horrorthriller "Seven" (1995) von David Fincher führt die 7 Todsünden als Mordmethoden auf, konsequent wird "Völlerei" als Füttern (unter Zwang) bis zum Tode ausgeführt. "Feed" (2005) von Brett Leonhard ist ein etwas wirrer Thriller um einen serienmordenden Feeder, eines seiner Opfer, und einen besessenen Cop. Der Film leidet unter einem begrenzten Budget und schlechten Darstellern, er wurde in der Feederism-Szene heftig abgelehnt, weil er aus "ihrem" Fetisch nur eine weitere Mordmethode machte.

Literatur

Das Phänomen der Fütterung wird seit Beginn der Literatur beschrieben, als frühes Beispiel von Fütterungsexzessen kann wohl Rabelais' satirischer "Gargantua und Pantagruel" gelten. Auch in Volksmärchen taucht regelmäßig eine Figur auf, die sich durch endloses Essenkönnen auszeichnet (zB in "Sechse kommen durch die ganze Welt").

In der Comicserie "The Kin-der-kids" von Lionel Feiniger gibt es eine Sequenz, in der eine der Hauptfiguren sich gierig bis zu grotesker Kugelform vollfrißt. Ähnliche, visuell dankbare Szenen existieren zuhauf in anderen Comicserien.

In T.C. Boyles "Wassermusik" gibt es eine eindrucksvolle Fütterungsszene. Der Roman "Ich fraß die weiße Chinesin" von Duca di Centigloria behandelt vor allem Kannibalismus, enthält aber auch einige Fütterungsszenen (zukünftiger Opfer) und hat daher für Feeder einen gesteigerten P-Wert.

  • "The Fattening Hut", Pat Lowery Collins, ISBN: 061855209X - Jugendbuch über den Kampf eines nigerianischen Mädchens gegen Tradition und Bevormundung